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Facebook-PR: Nutzer wollen Fans sein, nicht Kunden – Interview mit Kommunikations-Experten Tom Schwarzer

Facebook und die übrigen Social Media Kanäle wurden zu Beginn des Jahrzehnts noch als Allheilmittel dafür gesehen, neue Kunden zu generieren und den Umsatz massiv zu steigern. Zahlreiche PR-Agenturen und -Abteilungen nahmen daher Facebook-Marketing in ihr Portfolio auf. In der Halbzeit der Zehner-Jahre lohnt es sich zu schauen, inwieweit diese Erwartungen erfüllt wurden. Der Presse- und Kommunikationsattaché der dänischen Botschaft und Kommunikationsexperte Tom Schwarzer, seit über 6 Jahren im SMM-Bereich aktiv, gibt im Interview eine realistische Einschätzung ab, was bei Facebook möglich und nötig ist.

PR-Interview-Lounge Tom Schwarzer
Kommunikations-Experte Tom Schwarzer beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Facebook in der Unternehmenskommunikation

1.    Ein Unternehmen, das etwas auf sich hält, besitzt auch einen eignen Corporate Account bei Facebook. Lohnt es sich wirklich für jede Firma, auf Facebook aktiv zu werden. Ab wann hältst Du es für sinnvoll?

Das richtet sich meiner Ansicht in erste Linie nach dem Produkt: Es muss jetzt wahrlich nicht jede Eckkneipe oder jeder Döner-Laden unbedingt im sozialen Netz präsent sein – außer, wenn diese eben etwas ganz besonderes anbieten, über das die Menschen online diskutieren möchten. Die Unternehmen, die aber ihre Produkte auch oder hauptsächlich online vertreiben, sollten sich schon überlegen, den vorhandenen Kunden eine Plattform beispielsweise auf Facebook zur Diskussion anzubieten bzw. potenzielle Interessenten hier auf sich aufmerksam zu machen. Aufmerksamkeit ist die Währung des 21. Jahrhunderts und als Unternehmen sollte man versuchen, dort präsent zu sein, wo potenzielle Interessenten zu finden sind. Das muss nicht immer Facebook sein, sondern kann je nach Zielgruppe auch über Twitter, YouTube oder Instagram geschehen. Aber generell stellen Social Media Kanäle eine Kommunikationsplattform dar, denen sich Unternehmen heute nur schwer entziehen können.

2.    Kann man mit Facebook wirklich neue Kunden generieren? Was kann man mit Facebook erreichen?

Ich finde es problematisch, einen Kanal wie Facebook vor allem nach der Neukunden-Gewinnung zu beurteilen. Da geht dann leider in vielen Unternehmen häufig die Phantasie mit der Sales-Abteilung oder mit dem Vorstand durch und sie missverstehen den grundsätzlichen Charakter dieser Online-Plattformen. Die Nutzer wollen hier nämlich in erster Linie als Fans bzw. Freunde des Unternehmens behandelt werden und dann erst als Kunden. Social Media funktioniert also zunächst einmal besser zur Bindung derjenigen, die das Unternehmen bereits kennen, als zur Beschaffung neuer potenzieller Kunden. Viel Kommunikation ist hierbei serviceorientiert – es geht um Support, um Tipps und Tricks. Direkte, am Verkauf orientierte Kommunikation ist häufig in Online-Kreisen verpönt. Zudem darf nicht vergessen werden, dass diese Kanäle erstmals eine wirkliche öffentliche Kommunikation mit den Unternehmen ermöglichen. Natürlich sind Kunden auch schon früher mit Unternehmen in Kontakt getreten, beispielsweise durch Beschwerdebriefe oder Support-Anrufe – nur passiert dies auf Online-Plattformen jetzt eben öffentlich. Wenn ich also ein fehlerhaftes oder schlechtes Produkt auf dem Markt habe, dann wird mir dies mit ziemlicher Sicherheit online um die Ohren gehauen. Und so werden auch andere Fans/Freunde auf dies aufmerksam. Also einfach davon auszugehen, dass Aktivitäten auf sozialen Kanälen automatisch gleichbedeutend sind mit Umsatzsteigerung und Neukundengewinnung, kann zu großen Enttäuschungen in der Vorstandsetage führen.

3.    Erfolg bei Facebook ist auch eine Budget-Frage. Was kann man mit „Umsonst-Maßnahmen“ erreichen? Welche Personal-Ressourcen benötigt man dafür?

Das hängt nach meiner Erfahrung auch wieder sehr davon ab, welche Märkte man für sich als Unternehmen bespielen möchte. Geht es nur um Deutschland und vielleicht das englischsprachige Ausland, dann reicht sicherlich eine fähige Person – natürlich mit Affinität für neue Medien und perfekten Sprachkenntnissen. Wenn es um mehrere Länder geht, dann sollte man sich als Unternehmen schon überlegen, ob man nicht für jede Sprache beispielsweise Studenten einstellt, die dann die Vorgaben für ihre Länder umsetzen. Es sollte auch darauf hingewiesen werden, dass es immer schwieriger wird, generisch hohe Zahlen auf sozialen Medien ohne Budget zu erreichen. Natürlich helfen eine pfiffige Strategie, regelmäßiges Posten und auch klassische PR-Werkzeuge wie Gewinnspiele. Aber eine Plattform wie Facebook hat es nach seinem Börsengang zum Geschäftsmodell gemacht, Reichweite zu verkaufen. Das bedeutet in der Realität, dass die Postings einer Firma unter 20% der eigenen Fans/Freunde erreichen. Um mehr Verbreitung zu erzielen und auch andere, eben beispielsweise Neukunden, auf sich aufmerksam zu machen, muss Geld zum Beispiel in Form von „sponsored Posts“ gezahlt werden. Also, von Umsonst-Maßnahmen kann nur bis zu einem gewissen Grad gesprochen werden. Wenn man sich hohe Steigerungsraten wünscht, bedarf es eines eigenen Social-Media-Budgets.

4.    Wie oft sollte man bei Facebook präsent sein, gibt es den optimalen Wochentag oder die optimale Uhrzeit für die Facebook-Kommunikation?

Meiner Erfahrung nach ist die Regelmäßigkeit entscheidend. Es hängt aber natürlich auch davon ab, ob ich meinem „Publikum“ regelmäßig etwas zu erzählen habe. Wenn ich für ein Unternehmen zweimal am Tag Verkaufsangebote poste, dann bekommt meine Kommunikation schnell Spam-Charakter. Da muss ich mir dann Geschichten um die Produkte herum ausdenken, die den Verkaufsgedanken in den Hintergrund schieben. Wie oben beschrieben, geht es mehr um Service und weniger um Angebot. Da sind wir dann im Bereich der Content-Creation, wo es in Verbindung mit sozialen Medien eben wichtig ist, Inhalte zu den Produkten zu erschaffen, die mehr bieten als einen reduzierten Verkaufspreis.

5.    Sollte man als PRler auch berufliche Kontakte über Facebook ansprechen?

Das ist eine Frage, die sicherlich jeder für sich persönlich beantworten muss. Meiner Meinung nach, sind für den Kontakt zwischen PRler und Journalist oder zwischen Marketing-Leute aus Unternehmen andere Kanäle wie Karrierenetzwerke wie Linkedin oder Xing besser. Meinen eigenen Facebook-Kanal nutze ich allein für persönliche Kontakte. Auf meinem professionellen FB-Kanal verbinde ich mich mit Organisationen bzw. Unternehmen, mit denen ich in Verbindung stehe, aber eigentlich selten mit Einzelpersonen.

6.    Du schenkst mir ein Like, ich gebe Dir die Chance, an einer Verlosung teilzunehmen: Was bringen Gewinnspiele, was ist erlaubt? Welche anderen sinnvollen Maßnahmen gibt es noch, die Facebook-Community zu vergrößern?

Gewinnspiele wurden in der Vergangenheit restriktiv von Facebook behandelt. Das hat sich mittlerweile geändert, da Facebook wohl auch gemerkt hat, dass sich wenige Unternehmen an die strikten Regeln gehalten haben. Dies kann sich natürlich auch immer wieder ändern. Aber derzeit ist es so, dass Unternehmen einfach Gewinnspiele abhalten können, ohne dafür extra Services buchen zu müssen. Wie bei Gewinnspielen in der Offline-Welt ist es so, dass es sich um ein beliebtes Werkzeug handelt, bei dem erstmal kurzfristiger Erfolg im Vordergrund steht. Ob diejenigen, die mich jetzt wegen des Gewinnspiels „liken“ mir auch noch treu bleiben, wenn wir keine Gewinnspiele mehr machen, ist schwer zu beantworten. Generell finde ich Gewinnspiele gut, um Aufmerksamkeit zu genieren. Dass ich dann wieder eine Anzahl von Fans/Freunde verliere, sobald meine Aktion vorbei ist, muss ich einkalkulieren. Dafür behalte ich auch eine Anzahl neuer Kontakte. Wie im Marketing so häufig, ist es eben die Mischung, die es ausmacht: Wenn ich mich nur auf Gewinnspiele verlasse, dann wird mein Erfolg überschaubar bleiben. Ich muss Inhalte erschaffen, die interessante Geschichten zu meinen Produkten erzählen. Und fast noch wichtiger: Ich muss meinen Fans/Freunden einen Service zu meinen Produkten anbieten. Das kann Hilfe bei ganz konkreten Support-Fragen sein, aber auch Tipps und Tricks dazu, wie ich das Produkt besser bzw. anders nutzen kann.

7.    Worst Case Negativ-Äußerung: Lieber nichts sagen oder zurückpoltern?Wie vermeidet man einen Shitstorm und was tut man, wenn es passiert ist?

Einen Shitstorm vermeiden geht meiner Ansicht nach nicht. Dafür gibt es einfach zu viele Menschen im Internet, die auf Krawall gebürstet und häufig rationalen Argumenten gegenüber nicht aufgeschlossen sind. Also, selbst wenn mein Produkt toll ist und ich in der Kommunikation keine gravierenden Fehler mache, kann es passieren, dass ich online von Nutzern angegriffen werde. Generell ist dies für mich einfach eine Seite der Online-Kommunikation, vor der man als Unternehmen aber nicht in Angst und Panik verharren darf, sondern der man sich aktiv stellen muss. Ich finde es wichtig, dass sich jedes Unternehmen, bevor es mit Kommunikation auf Online-Plattformen beginnt, klare Grenzen dafür setzt, worauf geantwortet wird und welche Nutzer-Äußerungen Grenzen überschreiten. Der Umgang mit Shitstorms muss ein Teil des Online-Kommunikationsplan sein – ebenso welche Inhalte man kommunizieren möchte oder welche Produkte verlost werden sollen. Natürlich bedarf es dabei Flexibilität auch adhoc für Input offen zu sein und sich neuen Situationen zu stellen. Aber gewisse Regeln sollten für einen Kommunikations-GAU schon im Vorfeld aufgestellt sein.

Trotzdem muss sich jedes Unternehmen aber auch bewusst machen, dass nicht jede Kritik an einem Produkt gleichbedeutend mit einer Grenzüberschreitung ist. Ganz im Gegenteil! Kritik über diese Kanäle muss akzeptiert werden. Wenn sie aus Sicht des Unternehmens unberechtigt ist, dann kann man dies auch kommunizieren – sollte sich aber nicht auf langgezogene Diskussionen einlassen, sondern klar sagen: „Das ist Deine Meinung, wir haben eine andere“ – Ende der Kommunikation (von Seiten des Unternehmens). Ist die Kritik berechtigt, dann sollte ein Unternehmen meiner Ansicht nach die Souveränität besitzen und kommunizieren: „Dieser Hinweis ist berechtigt, wir werden ihn intern ansprechen und versuchen zu beheben“. Wenn dies dann geschehen ist, dann muss natürlich auch entsprechend darauf hingewiesen werden. So wird ein Problem in einen Vorteil gewandelt, weil das Unternehmen der Community signalisiert: Wir nehmen eure Kritik ernst und verbessern mit eurer Hilfe unsere Produkte.

Über Tom Schwarzer:
Arbeitet seit einem Jahrzehnt in verschiedenen Positionen im Marketing, hierbei in den letzten Jahren verstärkt im Social Media Marketing. War bis Ende 2013 bei einem deutschen Software-Unternehmen verantwortlich für ein internationales Team, das die gesamte Online-Kommunikation in Europa und den USA betrieb. Seit einem halben Jahr ist Tom Schwarzer der Presse- und Kommunikationsattaché bei der Königlich Dänischen Botschaft in Berlin und in dieser Position vor allem verantwortlich für den Kontakt zu Journalisten sowie den verschiedenen Bereichen der Online-Kommunikation.
Mehr Informationen unter: www.tom-schwarzer.de

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